Aubildungsplätze ohne Azubis
Ohne Ausbildung keine Zukunft

Bei Gestamp und Dürkopp Adler bleiben Werkbänke leer. 2025 kommen keine neuen Auszubildenden. Ein Trend, der nicht nur dort umgekehrt werden muss.

Frühstückspause. In der Halle wohlige Stille. Sonst wird dort gefräst, gefeilt, gebohrt und gehobelt. Der Sound einer jungen Metallindustrie. Der neue Ausbildungsleiter bei Gestamp in Brackwede hat zudem zwei Schweißkabinen aufstellen lassen. Industrie- und Werkzeugmechaniker, Maschinen- und Anlagenführer, Mechatroniker und Elektriker werden auf gut 300 Quadratmetern ausgebildet. Doch die Stille dehnt sich aus. »Früher waren mal hundert Azubis in der Halle zugange. Jede Werkbank war besetzt. Aber das kenne ich nur aus Erzählungen«, sagt Müslüm Erdogan, der Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei Gestamp.

Im Schnitt der vergangenen Jahre würde immer weniger bei Gestamp ausgebildet, berichtet er. Er selbst ist auf den letzten Metern seiner Ausbildung. Wenn alles nach Plan läuft, ist er im nächsten Jahr Industriemechaniker. Die JAV, wie der Betriebsrat und die IG Metall auch, fordert, die Ausbildung bei Gestamp zu erhalten. Bei solchen Themen gibt es keine Mitbestimmung, die Geschäftsführung entscheidet alleine. 2025 gehen deshalb keine Auszubildenden an den Start. Das gab es noch nie. »Das Werk in Brackwede hat einen hervorragenden Ruf, was Ausbildungen angeht. Den setzt Gestamp einfach mal so aufs Spiel«, sagt Janina Hirsch, bei der IG Metall Bielefeld zuständig für die Jugend.

Mit Müslüm Erdogan begannen 15 weitere junge Menschen ihre Ausbildung, die meisten sind inzwischen fertig, weil ihre Lehre kürzer war. »Wir kennen uns gut und tauschen uns aus«, sagt er. »Die Qualität der Ausbildung leidet allerdings, je weniger ausgebildet wird«, fügt der 23-Jährige an. Neben dem Fachlichen – für deren Vermittlung auf hohem Niveau bei Gestamp das starke Ausbilderteam sorgt – spielen soziale Aspekte eine große Rolle. »Wenn nur wenige Leute in der Halle sind, spürt man direkt, wie die Laune sinkt. Sich untereinander stärken, fällt dann aus. Andersrum sorgt ein gutes Miteinander in der Gruppe für bessere Ergebnisse«, findet er. »Wir hoffen, dass das Ausbilderteam zusammenbleiben kann, Gestamp sich besinnt und 2026 wieder ausbildet«, sagt Janina Hirsch.

Lücken nur schwer zu füllen

Ähnlich ist die Lage im Osten der Stadt. In Oldentrup steht das Werk von Dürkopp Adler mit rund 250 Beschäftigten, inklusive einer Ausbildungswerkstatt. Die Geschäftsführung spricht von Krise, aktuell sind die Beschäftigten von Kurzarbeit betroffen. Das nimmt die Unternehmensspitze als Grund, in diesem Jahr nicht auszubilden. »Die Geschäftsführung bekennt sich zwar zur Ausbildung. Aber im Ergebnis startet in diesem Jahr trotzdem niemand«, sagt Selman Demiray. Der Jugend- und Auszubildendenvertreter lernt Mechatroniker. Die JAV hat bei der Betriebsversammlung im Juli das Fehlen neuer Azubis angeprangert, die anwesende Geschäftsführung ist aber kaum darauf eingegangen. »Auszubildende sind die Fachkräfte von morgen«, hebt der 28-Jährige hervor. Die JAV fordert die Entscheideretage auf, nicht kurzfristig zu denken, sondern mit Perspektive zu handeln. Werde nicht ausgebildet, entstünde rasch eine Lücke, die in einem Unternehmen wie Dürkopp Adler, das spezielle Anlagen fertigt, nur schwer zu füllen sei. Beim Hersteller von Nähmaschinen vor allem für die Industrie zählen Treue und Kontinuität. Bei der Betriebsversammlung hoben mehr als die Hälfte die Hand auf die Frage der JAV, wer von ihnen in der Firma ausgebildet worden sei.

Auch bundesweit sinken die Zahlen

»Der Trend, weniger auszubilden, ist absolut besorgniserregend«, sagt Christian Iwanowski, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Bielefeld. In der Ausbildungsbilanz 2024 stellt die IG Metall heraus, dass im Vergleich zu 2019 rund 10.000 junge Menschen weniger einen Ausbildungsvertrag erhalten. »Wenn Unternehmen nicht mehr ausbilden, werden sie langfristig nicht bestehen. Das gilt es auf jeden Fall zu verhindern – die Standorte müssen gesichert und jungen Menschen eine Perspektive gegeben werden«, ergänzt der Erste Bevollmächtigte.

Müslüm Erdogan ist Jugend- und Auszubildendenvertreter bei Gestamp. Müslüm Erdogan ist Jugend- und Auszubildendenvertreter bei Gestamp.

Müslüm Erdogan ist Jugend- und Auszubildendenvertreter bei Gestamp.