Rentenbeschluss im Bundestag Mehr Rente statt weniger

Die IG Metall Bielefeld begrüßt den Rentenbeschluss im Bundestag. Sie fordert mehr Rente und Möglichkeiten, rechtzeitig aus dem Arbeitsleben auszusteigen

Eisengießerei Baumgarte

7. Dezember 2025 7. Dezember 2025


Die gesetzliche Rente ist unter Druck: Weniger und später lauten die Forderungen. Arbeiten bis 70 Jahre und ein Rentenniveau von unter den 48 Prozent, die die Rentenversicherung aktuell bei 45 Beitragsjahren mit dem Durchschnittsverdienst leistet. „Wir sind froh, dass das Rentenniveau von 48 Prozent zumindest bis 2031 gesichert ist“, sagt Oguz Önal, einer der Geschäftsführer der IG Metall Bielefeld zur Entscheidung des Deutschen Bundestags, das Rentenpaket der Bundesregierung mehrheitlich zu verabschieden. „Auf Dauer wird das aber nicht reichen. Die gesetzliche Rentenversicherung braucht ein höheres Niveau, um ein würdevolles Leben im Alter zu sichern“.

 Die IG Metall fordert bereits seit Langem gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden wie dem Paritätischen, dass alle Beschäftigten, auch Selbstständige und Beamte, in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. „Damit würden sich in den kommenden Jahren Räume eröffnen, die Rente nicht nur zu stabilisieren, sondern auszubauen“. Einem Renteneintritt später als mit 67 Jahren erteilt die IG Metall eine deutliche Absage. „Bereits heute schaffen es viele Beschäftigte gar nicht bis zum Renteneintrittsalter“, sagt Martina Bee, eine der Geschäftsführerinnen der IG Metall Bielefeld. Aktuell liegt es Renteneintrittsalter bei 66 Jahren und zwei Monaten und steigt bis 2031 auf 67 Jahre.

 Arbeit, die auf die Knochen geht

Dass immer länger arbeiten keine gute Idee ist, sieht auch Reinhard Bayer so. Er arbeitet seit 38 Jahren in der Eisengießerei Baumgarte in Bielefeld-Brackwede. Laut ist es dort und dreckig, die Maschinen geben einen strengen Takt vor. „Rheuma, kaputte Gelenke, zwei Bandscheibenvorfälle, das rechte Bein fast taub“, beschreibt der 60-Jährige seinen körperlichen Zustand. Seine Arbeit geht voll auf die Knochen, es steht in den Sternen, ob er es überhaupt bis 67 schafft. Die zwei Maschinen, an denen er steht, werfen alle 50 Sekunden vier Teile zwischen zweieinhalb und fünf Kilo Metall aus. Die prüft er mit den Händen, verpackt sie einzeln und schiebt sie Richtung Lager. Dann wieder von vorne. Wenn was nicht passt, muss der die Maschine anhalten und neu einstellen. „Das ist richtig stressig. Wenn eine Maschine steht, blinkt da ein rotes Licht. Das sieht man die ganze Zeit. Das macht Druck, die Maschine wieder ans Laufen zu bekommen“, fügt er an.

 Er kennt viele Kollegen, die es nicht bis in die Rente geschafft haben. Erst vor kurzem ist wieder ein Kollege an einem Herzinfarkt gestorben. „Das wird gerne ins Private geschoben. Aber die Arbeitsbedingungen spielen auch eine große Rolle“, sagt er. Von einer Rente mit 67 oder darüber hinaus hält er nichts, mindestens müsse man nach 45 Beitragsjahren wie bisher auch vorzeitig in Rente gehen müssen. Und das Rentenniveau müsse fürs Alter reichen. Was ihn seit Jahrzehnten im Job hält, ist die Solidarität und auch der Spaß unter den Kollegen. „Der Zusammenhalt ist groß. Wir leiden mit und unterstützen uns, wo es nur geht“, sagt er.

 "Viele halten dem Druck kaum stand"

Seine Eindrücke kann Peter Borchert, Versichertenältester der IG Metall Bielefeld, bestätigen. Er führt als ehrenamtlicher Versichertenältester der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Beratungen in Rentenfragen für die IG Metall-Mitglieder durch und weiß, wo der Schuh drückt. „Nicht nur diejenigen, die körperlich hart arbeiten müssen, auch im Angestelltenbereich gibt es viele, die dem Druck kaum standhalten und schon früh und dauerhaft krank werden“, sagt er. Ein System, dass von Beschäftigten immer mehr abverlange, könne auf der anderen Seite nicht verlangen, immer länger zu arbeiten, findet er.

 Lebenserwartung steigt kaum noch

Zwar werden Menschen in Deutschland älter, seit Beginn des Jahrtausends gibt es allerdings kaum noch Fortschritte. „Dass die Lebenserwartung steigt und die Rente folgen müsste, ist ein Mythos“, sagt Oguz Önal. Bei Männern ist die Lebenserwartung von 2006 bis 2023 um gerade mal ein Jahr gestiegen, bei Frauen sogar noch weniger. „Darüber hinaus zeigen neueste Studien, dass die Lebenserwartung sehr stark vom Einkommen ab – wer wenig Entgelt hat stirbt eher“. 

 Auch hinter die demografische Entwicklung macht er ein Fragezeichen. 2024 beispielsweise gab es 46,1 Millionen Beschäftigte in Deutschland, so viel wie noch nie seit der Wiedervereinigung – und satte drei Millionen mehr als 2015. „Die künftige Entwicklung beruht auf Prognosen. Niemand weiß etwa, wie viel Zuwanderung es in den kommenden Jahrzehnten geben oder sich die Geburtenrate verändert wird und damit Menschen, die zusätzlich arbeiten werden“, sagt er und verweist auf die Vergangenheit. Da rechnen Institute schon seit Jahrzehnten vor, immer weniger würden in das Rentensystem einzahlen, es würde folglich kollabieren. Doch bewahrheitet hat sich das nicht. „Wir müssen solidarisch und kreativ sein. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben im Alter in Würde“, sagt Martina Bee, „daran müssen wir gemeinsam arbeiten“.